DUNKELKLARHEITPERLENGLANZ
Der Entstehungsprozess eines Buchcovers
Oder: Fürs Leben lernen aus dem Buchover-Entstehungsprozess.
written by Sabine Schumann
Schon während ich das Buch schrieb, überlegte ich, wie wohl mein Cover aussehen könnte. Manchmal male ich ein wenig. Ich probiere das mit dem Cover selbst. Gestalte einen Entwurf.
Dann stelle ich fest, dass ich gerne ein professionelles Cover hätte. Ich kann vieles, aber vieles ist nicht mein Spezialgebiet. Ich beschließe, doch besser bei den Dingen zu bleiben, die mein Spezialgebiet sind. Zum Beispiel schonungslos ehrlich über verborgenen Gedanken und Gefühle zu schreiben, anstatt mich im Design eines Covers zu verlieren. Also brauche ich jemanden, der richtig gut ist und dem ich vertrauen kann. Der das besser kann als ich. Oder die. Und denjenigen muss ich finden. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Wenn ich gefunden habe, was ich suche, noch eine oder auch mehrere Nächte darüber zu schlafen und dann in den Kontakt zu gehen. Eine befreundete Autorin erzählte mir von ooografik.de und Corina.
Ich fragte per Mail an, ob sie Kapazität hätte oder ob ich auf der Warteliste für Ende 2023 einen Platz bekommen würde. Ihr Unglück war mein Glück. Ihre Warteliste hatte sich vor einem Monat aufgelöst. So ist das im Leben. Und Dinge, die sein sollen, klappen einfach. Da bedarf es keiner großen Anstrengung.Wir verabreden uns zum Telefonieren. Klassisch. Festnetztelefon. Kein Zoom, kein Handy. Das Festnetztelefon kommt für mich noch aus einer Zeit, als ein Apple noch Obst war und die Welt ein Stück weniger krank war. Ein gutes Omen. Mein Bauchgefühl, das Corina ausgesucht hatte, lächelt und nickt.
Zu Beginn war der Titel meines Buches noch anders:
Wahrheit. Eine Geschichte über die Suche nach der Liebe.
Ich telefoniere mit Corina eine ganze Weile. Corina hatte mir in ihrer Antwortmail bereits geschrieben, dass die wichtigste Grundlage ihrer Arbeit ist, dass die zwischenmenschliche Chemie passt. Denn dann läuft der Rest von allein. Alles andere macht für sie keinen Sinn. Ist Zwang. Sie sagt mir auch, dass sie sich nicht in Terminkalender zwängen kann. Ihre Kreativität fließt, wenn sie fließt und nicht auf Bestellung. Dann sind ihre Arbeitsergebnisse nicht gut. Corina sagte über ihre Arbeit, was ich über mein Leben herausgefunden hatte. Nur machen, was sich ohne große Kraftanstrengung findet. Das gilt im Übrigen auch unbedingt für die Liebe. Und über die habe ich ja ein ganzes Buch geschrieben, für das ich jetzt ein Cover brauche. Ich beauftragte Corina damit, besagtes Cover zu gestalten. Und lehnte mich zurück. Ich hatte nach unserem Gespräch tiefes Vertrauen, dass sich genau das finden würde, was ich brauchte.
Nach wenigen Wochen flatterten ihre Entwürfe in meine Inbox. Corina wusste, dass ich ein verlängertes Wochenende mit Mantras Singen und Stille vor mir hatte. Und sie wollte, dass ihre Entwürfe in mir wirken können. Und in der Stille.
Mein Leben lang hatte mein Kopf den Ton angegeben. Wenn es hart auf hart kam, traute ich mich nicht, auf meine Intuition zu hören, weil ich glaubte, mein Kopf würde die besseren Entscheidungen treffen. Eigentlich wusste ich es inzwischen besser. Nämlich, dass meine Intuition meine besseren Entscheidungen trifft. Aber mein Kopf ist nur schwer stillzukriegen. Und ich falle des öfteren einfach in alte Verhaltensweisen zurück.
Sofort fiel meine erste Wahl aufs Labyrinth (3). Dieses Cover war so klar. Eindeutig. Greifbar. Gegenständlich.
Die zweite Wahl war das Kaktus-Herz (2). Es sprach eine weiche, verspielte Seite in mir an. Es berührte mich. Und war mir zu ungewiss und wenig definitiv.
Die kleine Prinzessin (7) gefiel mir außerordentlich gut. Und das Mädchen auf der Schaukel (6). Sie berührten etwas in mir. Und zwar das kleine glückliche Mädchen, das ich gerne gewesen wäre. Das, was ich mir für mich gewünscht hätte. Retrospektiv betrachtet.
Ich zeigte die Cover Verwandten und Freunden. Das war eine spannende Sache. Wer mich und meine Texte kennt, kam häufig zu dem gleichen Schluss, wie ich. Das Labyrinth vorne, dann das Herz. Oder erst das Herz. Kleine Veränderungsvorschläge wurden laut. Farben anpassen, Schrift ändern.
Am coolsten referierte meine 14-jährige Tochter über meine Cover-Entwürfe, die in meinem Schreibzimmer am Whiteboard hängen. Meine Tochter kann Vorträge halten und sehr frei ihre Gefühle und Meinung kundtun.
Sie hat keine Angst, mit ihren Gefühlen und ihrer Meinung andere Menschen zu verletzen und deshalb lieber zu schweigen. So wie ich das mein Leben lang getan hatte. Und weshalb ich ja auch das Buch geschrieben hatte.
Was man doch alles in so einem Cover-Findungsprozess erkennen kann! Wie alles im Leben ist es multidimensional, man kann etwas daraus fürs Leben lernen. Man muss es nur wollen. Dann fühlen und reflektieren.
Es war nun an mir, die Cover in mir wirken zu lassen.
Gefühlsprozesse dauern so lange, wie Gefühlsprozesse dauern. Geduld brauchte ich. Und Geduld habe ich gar nicht. Mein Kopf will Gewissheit. Entscheidungen. Eindeutiges. Kein Gefühlsblabla. Und deshalb fing mein Kopf auch wieder an zu zweifeln. An allem. Immerhin dieses Mal nicht am Buch. Das sollte bleiben. Was ein Schritt vorwärts ist. Sehr oft wollte ich dieses Buch im Hof verbrennen und schreiend um die Flammen tanzen.
Mein Kopf fand einen neuen, vermeintlich viel besseren Titel für mein Buch. Und dieser neue Titel brauchte ein neues Cover.
Ich tat, was ich mein Leben lang getan hatte, wenn mein Kopf drängte. Ich handelte sofort. Statt nochmal eine Nacht darüber zu schlafen.Ich schrieb eine Mail an Corina. In der Überzeugung, endlich die Lösung fürs Cover gefunden zu haben. Es war die Lösung für meinen Kopf. Rational.
Ich bekam wenige Tage später meinen neuen Entwurf. Und eine lange Mail von Corina. Wir hatten offene Kommunikation vereinbart. Und wir konnten einander schnell vertrauen, so dass wir mit offener, direkter Kommunikation zusammengearbeitet haben. In dieser Mail schilderte sie mir, was sich bei ihr ereignet hatte, als ich mit meinem neuen Designwunsch an sie herangetreten war.
Sie endete ihre Beschreibung damit:
"Ich habe jetzt aufgehört, weil die Energie, die ich am Anfang vom Projekt in den ersten Entwürfen gespürt habe, im Moment nicht da ist. Ich spüre keine Klarheit, keine Freude und keine Verbindung."
Die Antwort musste ich erst einmal verdauen. Ich hatte schon am Morgen, nachdem ich meine Mail an sie geschickt hatte, das Gefühl gehabt, dass sich der neue Titel samt Designwunsch nicht mehr wahr anfühlte.
Ich erlebte wieder, dass das, was sich für meinen Kopf gut anfühlt, nicht für mein Herz gut sein muss. Mein konditionierter Kopf schrie nach Greifbarem. Nach Gewissheit. Weil mein Kopf will, dass niemand über mich sagt, ich wäre ein Luftikus, jemand, der nichts Nützliches für die Welt produziert. Nützlich kann nur sein, was nachweisbar ist. Was bringt es schon, ein ganzes Buch über die Liebe zu schreiben. Das war die alte Sabine. Mein ewiger Zwiespalt.
In dieser Mail erzählte Corina mir auch die Geschichte vom Kaktus Herz. Dem Entwurf aus der ersten Reihe, der bei mir an Nummer 2 gelandet war.
"Ich weiß, als ich die ersten Entwürfe gemacht habe, war dieses Kaktus-Herz der Entwurf mit der stärksten Energie, denn mein Kopf wollte ihn bis zum Schluss immer wieder aus den Entwürfen herausnehmen, weil ich es nicht erklären konnte… doch seine Präsenz hat es mir unmöglich gemacht.Ich weiß nicht, ob du etwas damit anfangen kannst. Auch wenn nicht ,weiß ich, dass es gut für den Prozess ist, es ausgedrückt zu haben. Wie oben geschrieben, es ist dein Cover und ich möchte das Beste für dich gestalten und du entscheidest. Ich würde jetzt erstmal alles beiseite legen und schauen was passiert, denn wenn mein Körper so stark reagiert macht es keinen Sinn weiter zu machen. Die Cover, die heute entstanden sind, füge ich dir natürlich bei."
Dann war Weihnachten. Und die Welt fiel in den Weihnachtsschlaf. Mein Buch arbeitete weiter in mir. Das Manuskript wartete auf die zweite Runde bei meiner Lektorin.
Ich war nicht zufrieden mit dem Buchtitel. Weder mit dem alten, noch mit dem neuen.
Corina erschafft wunderbare Kalender. Und wunderbare Dinge, die meine Seele in Ruhe und Frieden bringen. Corina ist ein Quell für meine Inspiration und ich bekam einen Kalender für 2023 zu Weihnachten.
Die Februar Seite zeigte einen Kaktus mit folgendem Spruch.
Ich liebe Kakteen, habe diverse von ihnen bei mir zu Hause zu stehen.
Der Kaktus löste bei mir etwas aus. Und er erinnerte mich an den Entwurf mit dem Kaktus Herz. Der Entwurf, der im Raum stand. Hing. Und dennoch konnte ich ihn nicht greifen. Ich fand ihn wunderschön. Und dann traf ich eine bewusste Entscheidung. Wieder einmal. Ich verlasse mich auf meine Intuition, auch wenn mein Kopf sie nicht begründen kann. Das war meine Entscheidung fürs Kaktus-Herz als Buchcover.
Ein paar Tage zuvor hatte ich ein Zoom-Meeting mit anderen Autorinnen. Das sind Frauen, mit denen ich seit Jahren zusammenschreibe. Sie kennen alle meine Geschichten, auch die aus dem Swinger-Club, die im Buch ist. Und meine Krisen, Ups und Downs. Ich erzählte von meinem Cover-Prozess und wie ich mit dem Titel des Buches hadere. Die Frauen hören mir geduldig zu. Wir Autoren wissen, dass eine Autorin einen Gefühlsprozess durchlebt, und am Ende kommt die Autorin zu einem Ergebnis. Das ist immer so. Nur wann, das weiß man nie bei uns Autorinnen. Also hören wir uns oft lange, liebend und geduldig zu.
Bei mir ging es schnell an diesem Tag, in dieser vertrauten Runde mit meinen Autorinnen. Es schießt auf einmal aus mir heraus: Kotze, Angst und Swinger-Club! Eine wahre Geschichte über die Suche nach der Liebe! Wäre doch eigentlich auch ein toller Titel. Die anderen Autorinnen schweigen kurz. Dann biegen sie sich vor lachen. Ja, passt zu Dir, Sabine. Der Titel war geboren. Und er fühlte sich richtig gut an.
Als der Titel stand, konnte der Klappentext entstehen. Tat er. Einfach so. Ich hatte wochenlang über dem Klappentext gebrütet. Ich fühle mich ein wenig schlecht, weil ich wieder einen Änderungswunsch an Corina habe. Ich sende ihr den Cover-Wunsch und den Klappentext. Im ersten Moment erscheint sie ein wenig verzweifelt. Ich kenne das schon. In der Entscheidungsfindung kann ich sehr sprunghaft sein. Und wer mit mir zusammenarbeitet, erlebt das hautnah. Corina dachte, wir starten den Prozess von vorne. Das wollte ich aber gar nicht. Wir telefonieren wieder, und ich erzähle ihr meine Gedanken und Ideen. Und wie ihre Kunstwerke mich inspiriert hatten. Wieder vertraute ich, dass ihre Intuition das Richtige machen würde. Damit meine Wahrheit sich in dem Buch-Cover ausdrücken würde. In dem Buch über innere Wahrheit.Und auch ihre Wahrheiten spielen eine Rolle. Ich genieße es sehr, dass wir beide unsere Intuition und unser Denken ungelenk in unsere Arbeit einfließen lassen können. Jede kann die andere lassen. Und so entstanden folgende Cover Entwürfe:
Von hier war es ein Spaziergang, bis die endgültige Version feststand.
Liebe Sabine, ich danke dir für unseren gemeinsamen Prozess und das du diesen so wertvoll in Worte gepackt hast. Dein Motto, authentisch, offen, direkt, klar, das bist du. Wer mehr über Sabine Schumann und Ihre Buch erfahren möchte, hier ihre Webseite.